Zwischen Früh‑ und Hochscholastik entstehen Enzyklopädien und naturkundliche Sammelwerke, die medizinisches Wissen in größere Ordnungssysteme einbetten. Als Vorläufer gelten Isidor von Sevilla mit den Etymologiae (u. a. Buch IV „De medicina“) und – im monastischen Bildungshorizont – Cassiodor (Institutiones).
Im 13. Jahrhundert prägen großangelegte Werke die Rezeption: Thomas von Cantimpré, Liber de natura rerum; Bartholomaeus Anglicus, De proprietatibus rerum; Vincentius Bellovacensis, Speculum maius (besonders Speculum naturale). Sie integrieren botanische, zoologische und medizinische Inhalte, sammeln Autoritäten von der Antike bis zur arabisch‑lateinischen Tradition und machen sie für Unterricht und Praxis zugänglich.
Ein spezieller Typ ist die medizinische Arzneimittel‑Enzyklopädie: Matthaeus Silvaticus, Pandectae medicinae (frühes 14. Jahrhundert). Für den deutschsprachigen Raum steht Konrad von Megenberg, Buch der Natur (um 1350), als volkssprachige Naturlehre, die botanische, zoologische und medizinische Inhalte bündelt und die enzyklopädische Tradition in die Volkssprache überträgt.
Kernpunkte
Isidor von Sevilla, Etymologiae (Vorläufer)
Thomas von Cantimpré, Liber de natura rerum
Bartholomaeus Anglicus, De proprietatibus rerum
Vincentius Bellovacensis, Speculum maius (Speculum naturale)
Matthaeus Silvaticus, Pandectae medicinae
Konrad von Megenberg, Buch der Natur (um 1350)
Profil: Der Dominikaner Vinzenz von Beauvais (um 1190–1264; lat. Vincentius Bellovacensis) verfasst mit dem Speculum maius das umfangreichste enzyklopädische Unternehmen des 13. Jahrhunderts. Es besteht aus drei Großteilen: Speculum naturale (Naturkunde), Speculum historiale (Geschichte) und Speculum doctrinale (Theologie/Lehre). Ein geplanter vierter Teil, das Speculum morale, wurde nicht ausgeführt.
Pflanzenkunde im Speculum naturale:
Liber 10 (Sp. 669–788): Gartenbau (Kap. 1–11) und Kräuter (Kap. 12–171).
Liber 11 (Sp. 789–872): Samen der Kräuter (134 Kapitel).
Libri 12–14: Bäume und ihre Früchte.
Quellen & Kompilationstechnik: Vinzenz strebt sichtbar an, das verfügbare Material vollständig einzubinden. Basis der Kräuterkapitel ist das Circa instans (traditionell Platearius zugeschrieben); der Macer (Macer floridus / De viribus herbarum) ist vollständig in Versen eingearbeitet. Weitere zentrale Autoritäten: Plinius, Dioskurides, Isidor von Sevilla, Avicenna, Isaac Judaeus (Isaak Israeli), Constantinus Africanus und der römische Agrarschriftsteller Palladius.
Druck & Wirkung: Die Enzyklopädie gelangt 1474 erstmals in den Druck und erlebt insgesamt vier Auflagen (zuletzt Douai 1624). Das Speculum naturale fungiert fortan als Referenzkompendium für naturkundliche und pharmakologische Stoffe im lateinischen Westen.
Vinzenz von Beauvais (um 1190–1264), Dominikaner; Autor des monumentalen Speculum maius.
Gliederung: Speculum naturale (Natur), historiale (Geschichte), doctrinale (Lehre); geplantes morale nicht realisiert.
Pflanzenbücher im Natur‑Spiegel: Liber 10 (Garten & Kräuter), Liber 11 (Samen), Libri 12–14 (Bäume & Früchte).
Quellenbasis: vor allem Circa instans (Platearius), dazu Macer floridus (versweise integriert), Plinius, Dioskurides, Isidor, Avicenna, Isaac Judaeus, Constantinus Africanus, Palladius.
Überlieferung: Erstdruck 1474; vier Ausgaben bis 1624; hohe Autorität als naturkundliches Kompendium