Zwischen Früh‑ und Hochscholastik entstehen Enzyklopädien und naturkundliche Sammelwerke, die medizinisches Wissen in größere Ordnungssysteme einbetten. Als Vorläufer gelten Isidor von Sevilla mit den Etymologiae (u. a. Buch IV „De medicina“) und – im monastischen Bildungshorizont – Cassiodor (Institutiones).
Im 13. Jahrhundert prägen großangelegte Werke die Rezeption: Thomas von Cantimpré, Liber de natura rerum; Bartholomaeus Anglicus, De proprietatibus rerum; Vincentius Bellovacensis, Speculum maius (besonders Speculum naturale). Sie integrieren botanische, zoologische und medizinische Inhalte, sammeln Autoritäten von der Antike bis zur arabisch‑lateinischen Tradition und machen sie für Unterricht und Praxis zugänglich.
Ein spezieller Typ ist die medizinische Arzneimittel‑Enzyklopädie: Matthaeus Silvaticus, Pandectae medicinae (frühes 14. Jahrhundert). Für den deutschsprachigen Raum steht Konrad von Megenberg, Buch der Natur (um 1350), als volkssprachige Naturlehre, die botanische, zoologische und medizinische Inhalte bündelt und die enzyklopädische Tradition in die Volkssprache überträgt.
Kernpunkte
Isidor von Sevilla, Etymologiae (Vorläufer)
Thomas von Cantimpré, Liber de natura rerum
Bartholomaeus Anglicus, De proprietatibus rerum
Vincentius Bellovacensis, Speculum maius (Speculum naturale)
Matthaeus Silvaticus, Pandectae medicinae
Konrad von Megenberg, Buch der Natur (um 1350)
Profil: Die erfolgreichste und für den deutschsprachigen Raum wirkmächtigste Naturenzyklopädie des Hochmittelalters verfasste der aus dem Brüsseler Raum stammende Thomas Cantimpratensis (auch Thomas von Cantimpré, Thomas Brabantinus, Thomas van Bellinghen), geboren um 1200; zunächst Augustiner-Chorherr, seit 1232 Dominikaner.
Überlieferung: Sein Liber de natura rerum (vollendet um 1240) kursierte in mehreren Fassungen. Die Redaktionen Thomas I und Thomas II gehen auf den Autor selbst zurück; spätere Fassungen entstanden vermutlich im Elsass (Thomas IIIa) und im Wiener Raum (Thomas IIIb). Thomas II behandelt in Buch 10 und 11 die Bäume, in Buch 12 die Kräuter; für die deutsche Rezeption wichtige Bearbeitungen dieser Redaktion ordnen die Kapitel teilweise neu.
Quellen & Aufbau: Der Kräuterteil umfasst nur 32 Pflanzen und stützt sich eindeutig auf das Circa instans (hier Platearius zugeschrieben). Für die beiden Baum-Bücher – Liber de arboribus communibus (52 Kapitel) und Liber de arboribus aromaticis (33 Kapitel) – wurden mehrere Autoritäten herangezogen: neben dem Circa instans vor allem Plinius, Isidor von Sevilla und Palladius. Die Redaktoren der Thomas III‑Fassungen ergänzten aus dem Circa instans und aus De vegetabilibus des Albertus Magnus.
Thomas von Cantimpré (geb. um 1200), Dominikaner ab 1232; Autor der einflussreichen Naturenzyklopädie Liber de natura rerum.
Entstehung/Redaktionen: Vollendung um 1240; autornahe Fassungen Thomas I und Thomas II; spätere Bearbeitungen Thomas IIIa (Elsass) und Thomas IIIb (Wiener Raum).
Gliederung (Thomas II): Buch 10/11 Bäume, Buch 12 Kräuter; deutschsprachige Bearbeitungen ordnen Abschnitte teils neu.
Kräuterteil: nur 32 Pflanzen; deutliche Abhängigkeit vom Circa instans (traditionell Platearius zugeschrieben).
Baum‑Bücher: Liber de arboribus communibus (52 Kap.) und … aromaticis (33 Kap.); Quellen u. a. Plinius, Isidor von Sevilla, Palladius, Circa instans; spätere Redaktoren ergänzen aus Albertus Magnus, De vegetabilibus.
Wirkung: Hohe Reichweite besonders im deutschen Sprachraum; dient als Scharnier zwischen klassischer materia medica und spätmittelalterlichen Kompilationen.