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Das Hochmittelalter

Im Hochmittelalter (ca. 1050–1250, bis zum Ende der Staufer) vernetzt sich die klösterliche Praxis zunehmend mit der gelehrten Medizin. Prägend wirkt die Schule von Salerno als Knotenpunkt zwischen Klöstern, Hospitalwesen und der Übersetzungsbewegung.

Eine Schlüsselrolle spielt Constantinus Africanus (Monte Cassino/Salerno). Seine lateinischen Bearbeitungen und Übersetzungen aus arabischen sowie arabiserten griechischen Vorlagen machen diagnostische Konzepte, Diätetik und Arzneimittellehre für den Westen neu zugänglich und tragen zur Schulbildung medizinischer Texte bei.

Parallel entstehen und verbreiten sich Lehr- und Nachschlagewerke zur materia medica: der Macer floridus (Lehrgedicht) und das Circa instans (Arzneimittellehre über einfache Drogen). Sie bieten komprimiertes Wissen zu Herkunft, Eigenschaften und Anwendung der Heilmittel und werden in Praxis und Unterricht breit rezipiert.

Hildegard von Bingen (Physica, Causae et curae) steht zugleich für eine eigenständige monastische Stimme: Naturkundliche Beobachtung, Erfahrungswissen und Heilkunde greifen ineinander; die Texte sind in der Rezeption stets quellenkritisch zu lesen.

Der Kanon der Medizin des Avicenna gelangt erst ab dem späten 12. Jahrhundert (Toledo, u. a. Gerard von Cremona) in lateinischer Übersetzung in Umlauf und prägt ab dem 13. Jahrhundert die gelehrte Medizin, insbesondere Theorie und Pharmakologie.

Kernpunkte

  • Schule von Salerno (Knotenpunkt)

  • Constantinus Africanus (Übersetzungen/Bearbeitungen)

  • Macer floridus (Lehrgedicht)

  • Circa instans (Arzneimittellehre)

  • Hildegard von Bingen (Physica, Causae et curae)

  • Avicenna, Kanon der Medizin (lateinisch ab spätem 12. Jh.)

Profil und Datierung

Das nach seinen Anfangsworten benannte Circa instans (auch De simplicibus medicinis / Liber de simplici medicina) entstand um 1150–1170 im Umfeld der Schola Medica Salernitana. Es handelt sich um eine Arzneimittellehre der einfachen Mittel (simplicia) und zählt zu den prägenden Werken der salernitanischen Tradition. Die Autorschaft wird meist der Familie Platearius zugerechnet (häufig Matthaeus Platearius), bleibt aber unsicher.

Aufbau und Methode

Die Drogenmonografien sind alphabetisch geordnet und folgen einem zweiteiligen Schema:

  1. Beschreibungsteil: Namen/Benennungen, Primärqualitäten, Beschreibung der Droge (Pflanze/Tier/Mineral), Qualitätsmerkmale, Hinweise auf Verfälschungen, Haltbarkeit, Wirkspektrum im Sinne der Humoralpathologie.

  2. Anwendungsteil: Indikationen, Zubereitungen, Kombinationen mit anderen Drogen; häufig Angaben zu Ersatzmitteln. Der Text enthält auch fünf Zaubermittel und zeigt sich gelegentlich apothekerkritisch.

Quellen und Bezugssystem

Als Hauptbezüge werden Dioskurides (Materia medica) und der Liber graduum des Constantinus Africanus genannt; die Indikationen weichen jedoch teils merklich ab. Daneben steht der Macer floridus (Lehrgedicht; nicht salernitanisch, aber vom Liber graduum beeinflusst) und – für composita – das Antidotarium Nicolai.

Fassungen und Überlieferung

Die Überlieferung ist reich und vielfältig. Für die lateinische Tradition werden über 100 vollständige Handschriften genannt (neben zahlreichen Teilüberlieferungen). Grob unterscheidet man:

  • Redaktion A: Langfassung mit 432 Kapiteln im Codex Salernitanus (um 1180); daraus ableitbare illustrierte und stark erweiterte Linien (bis ~900 Kapitel), u. a. der Tractatus de herbis (ältester Vertreter: London, BL Egerton 747; bedeutende Hss.: London, BL Sloane 4016) und die französische Übertragung Livre des simples medecines.

  • Redaktion B: Vulgatfassung, ca. 250–277 Kapitel in verschiedenen Unterredaktionen (z. B. Erlangen, Lyon 1525, Göttingen), mit abweichender Kapitelzählung und Reihenfolge.

Nachwirkung

Das Circa instans beeinflusste die Standardisierung von Rezeptliteratur und Apothekenpraxis (z. B. Lagerung, Nomenklatur) und wirkte in Enzyklopädien des 13. Jahrhunderts (Thomas von Cantimpré, Bartholomaeus Anglicus). Es gilt als wichtige Quelle für den Mainzer Gart der Gesundheit (1485) und wirkt in späteren Kräuterbüchern nach.

Kernpunkte

  • Circa instans (De simplicibus medicinis / Liber de simplici medicina), um 1150–1170, Salerno

  • Alphabetisch; zweiteiliges Schema (Beschreibung/Anwendung); Primärqualitäten, Qualität, Fälschung, Haltbarkeit; Ersatzmittel

  • Quellen: Dioskurides, Constantinus Africanus (Liber graduum); daneben Antidotarium Nicolai (für composita)

  • Redaktion A (Codex Salernitanus, ca. 1180, 432 Kapitel; daraus Tractatus‑/illustrierte Linien bis ~900)

  • Redaktion B (Vulgatfassung, ca. 250–277 Kapitel; Unterredaktionen Erlangen, Lyon 1525, Göttingen)

  • Tractatus de herbis (illustrierte Traditionslinie; z. B. London, BL Egerton 747 und Sloane 4016; Modena, lat. 993)

  • Nachwirkung: Standardisierung; Einfluss auf Gart der Gesundheit (1485) und spätere Kräuterbücher

 

 

Forschergruppe Klostermedizin

 

 

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