Im späten 15. Jahrhundert entstehen in Mainz drei einflussreiche Kräuterbuchdrucke, die Wissen aus Antike, arabisch‑lateinischer und monastischer Tradition bündeln und für die Druckkultur aufbereiten: der Herbarius Moguntinus (1484), der Gart der Gesundheit (1485) und der Hortus sanitatis (1491). Sie verbinden Pflanzenbeschreibungen mit Angaben zu Herkunft, Eigenschaften und Wirkungen sowie einfachen Anwendungen. Sprachlich: der Herbarius Moguntinus ist lateinisch, der Gart der Gesundheit deutsch. Zum Bildprogramm gilt durchgehend: ein Holzschnitt je Kapitel; die Qualität der Holzschnitte ist im Gart der Gesundheit (1485) deutlich höher als im Herbarius Moguntinus (1484), während der Hortus sanitatis (1491) bei größerem Umfang insgesamt wieder schwächer wirkt.
Diese Mainzer Kräuterbuch‑Inkunabeln bilden die Brücke zur Frühen Neuzeit: Auf ihrer Basis professionalisieren sich Pharmakopöen und Kräuterkunde; im 16. Jahrhundert setzen Otto Brunfels, Hieronymus Bock und Leonhart Fuchs neue Akzente durch genaue Beobachtung, Systematik und Bild.
Kernpunkte
Mainzer Kräuterbuch‑Inkunabeln: Herbarius Moguntinus (1484), Gart der Gesundheit (1485), Hortus sanitatis (1491)
Merkmale: Quellenbündelung, Illustration, Deutsch/Latinität
Brücke zu Brunfels/Bock/Fuchs (16. Jh.)
Profil: Der schwer zu identifizierende Abt Rufinus nennt sich Beichtvater des Erzbischofs von Genua und zugleich „abbas monasterii de Tyro“. Ziel des Werkes ist, das verfügbare Kräuter‑ und Arzneiwissen in einem Buch zu bündeln. Der Übersetzer des pseudo‑serapionischen Aggregator, Simon von Genua, kannte das Herbar offenbar.
Entstehung & Quellen: Fertigstellung nach 1287. Rufinus nutzt nahezu das gesamte einschlägige Schrifttum des 13. Jh.: Circa instans, Macer, Dyascorides alphabeticus, den Liber graduum des Constantinus Africanus, Isaac Judaeus (De diaetis particularibus), das Antidotarium Nicolai sowie chirurgische Rezeptliteratur.
Umfang & Ordnung: 628 Kapitel; erstes Herbar, in dem die Simplicia vollalphabetisch behandelt werden.
Profil: Spätsalernitanischer Arzt Matthaeus Silvaticus (geb. um 1280, gest. 1342).
Charakter & Neuerungen: Er nennt neue Pflanzen, die zuvor nicht im schriftlich fixierten Arzneischatz standen, z. B. Angelica archangelica L.
Überlieferung & Druck: Der Liber pandectarum medicinae erscheint 1474 im Druck in Venedig.
Profil/Charakter: Deutschsprachige Kompilation, die die einzige vollständige deutsche Übersetzung des Circa instans bietet. Zugleich wurden zahlreiche Kapitel aus dem Aggregator eingefügt. Weitere Quellen: Macer, Liber graduum des Constantinus Africanus, Liber iste.
Umfang: 337 Drogen auf knapp 400 Seiten.
Rufinus, Liber de virtutibus herbarum… (nach 1287): Großes Herbar (628 Kapitel); vollalphabetische Ordnung der Simplicia; breiteste Quellennutzung (u. a. Circa instans, Macer, Dyascorides alphabeticus, Liber graduum, Isaac Judaeus, Antidotarium Nicolai, chirurgische Rezeptliteratur); Bezug zu Simon von Genua.
Matthaeus Silvaticus, Liber pandectarum medicinae: Spätsalernitanischer Arzt; Neuzugänge zum Arzneischatz (z. B. Angelica archangelica); Erstdruck 1474, Venedig.
Leipziger Drogenkunde (frühes 15. Jh.): Einzige vollständige dt. Übersetzung des Circa instans; starke Integration des Aggregator; weitere Quellen Macer, Liber graduum (Constantinus), Liber iste; 337 Drogen auf ~400 Seiten.